Spoilerwarnung: “The Painscreek Killings” ist ein Spiel, das stark von der Faszination des Entdeckens lebt. Ich empfehle das Spiel ohne Vorinformationen zu spielen — also auch ohne diese Story Review. Natürlich wird es keine großen Spoiler geben und das Spiel wird trotzdem einiges an Überraschungen für euch bereithalten. Die Wahl hast du dennoch selbst. Viel Spaß!
Aus dem Tagebuch von Janet, Reporterin:
Was ich weiß ist, was aus Painscreek geworden ist. Wie viele kleine Gemeinden, wurde es Opfer der Urbanisierung. Die Jungen gehen und kommen nicht wieder, die Alten bleiben und gehen irgendwann für immer. Die Stadt verliert nach und nach ihre Lebensgeister: Die Menschen. Doch im Falle von Painscreek gibt es noch einen anderen Grund: Tod. Painscreek ist gestorben, vielleicht zusammen mit dem Mordopfer Vivian Roberts, vielleicht hat das Sterben aber schon vor langer Zeit eingesetzt und sich in das Fundament der Stadt gefressen. Lange Zeit unbemerkt, mit der Zeit immer sichbarer.
Und jetzt stehe ich vor dem Stadttor und frage mich, was mich erwartet. In der Hand ein Schreibes meines Chefredakteurs, mit der Frage: Was ist hier passiert?
Gemeinsam mit Janet stand ich als Spieler vor dem Tor von Painscreek im Detektiv-Walking Simulator “The Painscreek Killings”. Im Schlepptau dar wohlig-neugierige Wunsch, hier einiges herausfinden zu wollen.
Hintergrundinformationen
The Painscreek Killings ist eine Independent Produktion des in Las Vegas ansässigen Entwicklerstudios EQ Studios. Das Studio gibt es seit 2006, die Idee entstand im Jahr 2012 und ab 2014 arbeitet das Studio Vollzeit an “The Painscreek Killings”. Das Spiel erschien im September 2017 auf Steam. Es ist komplett in englischer Sprache. Mittlerweile, was ich sehr bemerkenswert finde, ist es auch mit japanischen Texten erhältlich.
Das Spielkonzept lehnt sich stark an klassische Detektivgeschichten an, in denen eine Ermittlerin immer tiefer in einen Fall vordringt, die Geschehenisse Stück für Stück rekonstruiert, Vermutungen anstellt und (hoffentlich) die Tat aufklären kann. Konkret übernehmen wir die Rolle der Journalistin Janet, die nach Painscreek geschickt wird, um einen letzten Versuch zu wagen, die sogenannten “Painscreek Killings” aufzuklären. Ganz dem beschriebenen Konzept gemäß, starten wir nahezu ohne Vorwissen und graben uns mit jedem Hinweis immer tiefer in ein scheinbar undurchdringliches Geflecht von Informationen, Hinweisen und Handlungssträngen. Das erfordert sehr genaues Beobachten und ist zuweilen auch sehr frustrierend, wenn z.B. ein Ort zum x-ten Mal durchsucht werden muss. Ganz im Glauben, etwas übersehen zu haben. Einen gewissen Hang zu Details und eine Prise Durchhaltevermögen sollte bei dir vorhanden sein, wenn du das Spiel anfasst. Zumal die Entwickler auch explizit zu Beginn des Spiel empfehlen, dass eigene Notizen sehr hilfreich sind. Allein deswegen war ich richtig angefixt.
Das Spiel
Wie schon erwähnt, wissen wir zu Beginn des Spiel wirklich nichts — nur ein Schreiben unseres Chefredakteuers erklärt uns, was es zu tun gilt. Ein Tutorial gibt es so gut wie nicht. Ohnehin ist die Steuerung und die Interaktionen mit der Umgebung, typisch für sogenannte Walking Simulatoren, nicht besonders anspruchsvoll. Es reichen die Bewegungstasten, die Aktionstaste, eine Taste für die Taschenlampe, die Tasten für das Inventar und die Kamerataste. Besondere Aktionen, wie springen, klettern oder gar Waffen gibt es sehr selten.
Die Grafik ist aus meiner Sicht zweckmäßig- nicht hübsch, nicht detailliert, aber sie erfüllt ihren Zweck. Auch die Vertonung und musikalische Untermalung ist rudimentär bis, naja, unspektakulär. Den Fortschritt in der Entdeckung der Stadt werden vor allem durch Zugangsitems wie Schlüssel, Codes oder Werkzeuge erzielt. Diese gewähren nach und nach Zugang zu diversen Handlungsorten.
Wenn ihr bis hierhin den Eindruck hattet, dass meine Beschreibung kein Spiel sei, das besonders hervorsticht oder fesselt: Dann kommen wir besser jetzt zu dem Teil, der mich in seinen Bann gezogen hat.
Storyanalyse oder “Die Geschichte im Kopf”
The Painscreek Killings schafft einen sehr bemerkenswerten Spagat zwischen Entdecken/Erkunden und einer fesselnden Geschichte. Wir begegnen mit unserer Spielfigur keiner Person von Angesicht zu Angesicht. Wir kennen nur ihre Tagebücher, ihre Häuser, ihre Krankenakten, Zeitungsartikel, anders gesagt kennen wir sie nur über Artefakte ihres Lebens. Darum nenne ich es auch “Die Geschichte im Kopf”. Im Grunde setzen wir nicht nur einen Mordfall zusammmen, nein, wir bauen auch die diversen Facetten der Geschichte zusammen — und dies vor allem im Kopf.
Was mich auch beeindruckt hat, ist, wie die Entwickler es geschafft haben, alle Artefakte (Tagebuchausschnitte, Dokumente etc.) so zu platzieren und schrittweise zugänglich zu machen, dass ich als Spieler auch wirklich bis zum Ende brauche, um den Mörder zu identifizieren und gleichzeitg trotzdem der Spannungsbogen aufrecht erhalten wird. Du musst dazu wissen, dass das Spiel nicht linear abläuft. Man findet die Artefakte in ungeordneter Reihenfolge. Das macht das Erzählen einer logischen und guten Geschichte schwieriger, weil berücktsichtigt werden muss, dass jede Spielerin die Artefakte im Prinzip in einer anderen Reihenfolge finden kann.
Davon abgesehen haben die Entwickler es geschafft, eine wirklich fesselnde Geschichte zu entwerfen. Die diversen Figuren haben ihre eigenen Konflikte, Widersprüche, Träume und Motivationen. Ich konnte mich in alle Figuren hineinversetzen und ihre Beweggründe waren nachvollziehbar. Verstärkt wurde das Ganze dadurch, dass die Figuren ihre Geschichten über etwas sehr intimes teilen: Ihre Tagebücher. Tagebücher werden in der Regel nicht für andere geschrieben, sondern sind eher ein stiller Dialog mit sich selbst oder einer fiktiven dritten Person. Das schafft ein Gefühl von Intimität zwischen Spieler und Figur.
Und letzten Endes ist die Geschichte für mich vor allem eins gewesen: Traurig. Ohne zu viel zu verraten: Vieles hätte in Painscreek nicht so kommen müssen, wenn nicht…
Fazit
Was hat mich an diesem Spiel und seiner Geschichte so fasziniert?
- The Painscreek Killings schafft es, ohne viel Tam-Tam, eine glaubhafte und ungemein spannende Geschichte zu erzählen. Das Spiel ist nicht schön, seine Musik ist mehr Fahrstuhlmusik als Soundtrack, es erfordert viel Geduld, es ist zuweilen knifflig, aber es hat mich emotional mitgenommen. Das muss man erstmal schaffen.
- Ich mag das Detektivische. Dieses fast schon fanatische Suchen und Verknüpfen von Information zu einem Netz aus Hinweisen, Charakteren und Beziehungen. Zuweilen, ja zuweilen, habe ich auch ziemlich geflucht, weil ich nicht weiterkam. Aber das hat das Spielerlebnis nur nochmals intensiviert.
- Jede, aber auch wirklich jede Figur im Spiel hat sowohl Schattenseiten als auch nachvollziehbare Motive. Ich hatte niemals das Gefühl, dass Motive aus der Luft gegriffen waren.
Von mir gibt es eine klare Empfehlung!
Ich hoffe, dir hat dieser Text gefallen und schreib mir gern, wie du es fandest und ob du davon mehr willst.
Herzlichst,
Dein Peter