Dieser Beitrag ist der erste Teil meines dreiteiligen Rückblicks über einen sehr persönlichen Triumph, den ich am 28.04.2019 mit meiner Teilnahme am Hermannslauf 2019 erleben durfte. Im ersten Teil schaue ich mir an, wie ich auf die Ideen kam, ich beleuchte die Tradition hinter „dem Hermann“ und berichte von meiner holprigen Vorbereitung.
Wie es begann
Man merkt mir im Video den Respekt vor diesem Lauf deutlich an, oder? Ich betone nochmal: Noch nie bin ich meinem Leben so weit, geschweige denn für so eine lange Zeit am Stück gelaufen. Zum Zeitpunkt der Live-Ankündigung war ich nicht einmal wirklich trainiert. Das bedeutet konkret, dass ich vielleicht 1-2 Mal im Monat ins Fitnesstudio ging, 104 kg bei 1,86 m wog und vor Monaten das letzte Mal gelaufen war – aber noch nie mehr als 10 Kilometer alle paar Wochen. Ja, ich habe eine gewisse Affinität zum Langstreckenlauf. Das ganze Vorhaben wäre ein noch größerer Kraftakt – Respekt vor allen, die sich so etwas trotzdem vornehmen – wenn ich nicht ein wenig Freude oder Interesse am Laufen gehabt hätte.
Dass ich den Hermannslauf irgendwann einmal laufen wollte, hatte ich mir schon vor Jahren im Hinterkopf abgelegt. Es hatte sich scheinbar gut festgesetzt, denn als eine Kollegin auf mich zukam, weil sie noch LäuferInnen für unser Firmenteam suchte, musste ich nicht lange überlegen. Ich dachte bei mir: „Gut, drei Monate Vorbereitung klingen nicht völlig utopisch.“ So war ich angemeldet.
Der Hermannslauf als ostwestfälisches Tradition
Seit der allerersten Ausgabe 1972 hat der Hermannslauf sich immer stärker im regionalen Bewusstsein von OWL (Ostwestfalen-Lippe) verankert. Das habe ich als Nicht-Eingeborener vor allem daran gemerkt, dass, egal mit wem ich sprach, alle entweder selbst schon mitgelaufen sind oder Bekannte haben, die daran teilgenommen hatte. Viele nehmen sogar mehrmals teil. 2, 5, 10 oder noch mehr Male laufen sie mit. Die regionale Presse ist jedes Mal voller Erwartungen, spekuliert über die Favoritinnen und Favoriten und gibt mehr oder weniger gute Tipps für Neulinge. Allein in diesem Jahr gingen wieder 7000 LäuferInnen, Walker und Wanderer an den Start.
Die Strecke beginnt am Hermannsdenkmal in Detmold, verläuft auf dem Hermannsweg bis zur Sparrenburg nach Bielefeld – 31,1 Kilometer durch hügeliges Gelände auf Waldboden, Sand, Asphalt, Beton, Kopftseinpflaster und sogar eine Treppen hinauf. Er wird auch als „gefühlter Marathon“ bezeichnet.
Man kann sagen, dass der Hermann die ultimative Kraftprobe für jeden OWLer und jede OWLerin ist. Der Hermannslauf ist Tradition und die Menschen sind stolz darauf. Bei den Frauen dominierte seit 2015 die Norwegerin Hilde Aders. 2019 war es mit Michelle Rannacher eine Siegerin von hier. Aus Gütersloh. Vielleicht dachte so mancher Beobachter: „Endlich wieder eine Siegerin aus OWL.“ Bei den Männern ist es vor allem Rekordsieger Elias Sansar, der Sieg um Sieg bei den Männern holt. Und das bereits zum 12. Mal. Eine Legende. Aus Detmold. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Hermannslauf)
In jeder Hinsicht ist der Hermannslauf besonders. Besonders vor allem, wenn du mittendrin bist, die Stimmung auf der Strecke erlebst, die schöne Landschaft siehst, die Anstregung auf den immer wieder heranziehenden Steigungen spürst und den Zieleinlauf mit Blick auf die Sparrenburg genießt. Da wollte ich nun auch hin.
Die Vorbereitung
Die ersten 5-6 Wochen der Vorbereitung habe ich ohne viel Vorwissen über laufspezifisches Training gemacht. Ich dachte einfach: „Ok, ich mache alle zwei Tage eine Mischung aus Laufen und Kraftraining.“ Das lief auch irgendwie, denn die Motivation und der Wille sind am Anfang immer am größten. Bis mir das linke Knie über mehrere Tage schmerzte – das kannte ich schon von früher und ich lernte den wichtigsten Fehler im Lauftraining (mal wieder) kennen:
Zu schnell und zu viel auf einmal laufen zu wollen ist einer der größten Fehler im Lauftraining. Punkt!
Den sollten sich alle Menschen, die je laufen wollen, hinter die Ohren schreiben. Ich sollte ihn mir vermutlich sogar tätowieren, damit ich es lerne.
Diesen Fehler habe ich auch weitere Male gemacht. Zu schnell, zu viel Laufen zu wollen führt zu Überlastungen (z.B. Schmerz oder generell sinkende Leistungsfähigkeit) und das zwingt wiederum zu Pausen, damit sich der Körper erholen kann. Noch heute erlebe ich immer wieder den Moment, in dem ich einfach zu viel auf einmal will. Je besser ich trainiert war, desto verlockender wurde es schneller zu laufen. So musste ich immer wieder wegen Schmerzen im Knie und später in der Wade aussetzen. Die Faustregel war für mich immer: Wenn sich Schmerzen über mehr als 3 Tage halten, dann muss ich pausieren und Regenerationsübungen machen. Im Idealfall treten solche regelmäßigen Schmerzen natürlich gar nicht erst auf. Idealerweise. Aber welche Vorbereitung ist schon perfekt.
Überhaupt ist so eine Vorbereitung ein auf und ab, ein Kampf mit dem inneren Schweinehund. Manchmal ist es sterbenslangweilig, manchmal feierst du Erfolge, manchmal musst du dir einen Misserfolg eingestehen, manchmal brauchst du die Motivation von anderen, manchmal zweifelst du an deinem Ziel. Jedoch stand für mich immer und zu jedem Zeitpunkt fest: Am 28.04. laufe ich den Hermann – und das habe ich auch immer zu allen gesagt, die mich fragten.
Einen wirklich Schub an Wissen und Sicherheit verschaffte mir, in der zweiten Hälfte der Vorbereitung, das Lesen eines Buches über Lauftraining. Das kann ich gern an anderer Stelle rezensieren, wenn es euch interessiert, denn es half mir sehr. Ich las es und lernte die diversen Aspekte des Lauftrainings kennen und setzte sie im Rahmen meiner Möglichkeiten um.
Ich variierte Länge, Art und Tempo meiner Läufe; hatte einen Trainingsplan an dem ich mich orientieren konnte und entdeckte Yoga für mich. Yoga ist aus meiner Sicht, eine perfekte Ergänzung zum Lauftraining – neben einfachem Dehnen, Kraftübungen und Koordinationsübungen. Der Erfahrungsgewinn war enorm und ich hatte einen Plan. Einzig beim Thema Ernährung verfolgte ich keinen richtigen Plan. Das tue ich bis heute auch nicht. Ich denke jedoch, dass es sehr viel zu meiner läuferischen Leistungen beitragen würde.
Allem Erfahrungs- und Fitnessgewinn zum Trotz: Alle Zweifel an mir und ob ich den Lauf schaffen würde, konnten auch dadurch nicht vollständig ausgeräumt werden. Denn, so professionell meine Vorbereitung auch klingen mag, sie war geprägt von einigen verletzungs- und motivationsbedingten Unterbrechungen. Das Ziel war jedoch immer klar: Ich werde den Hermann laufen. Das war das mit Abstand Wichtigste.
Im zweiten Teil berichte ich über alles, was vor dem eigentlichen Lauf passiert ist.
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